ESO Besuch in Chile
Hallo Sternfreunde,
auf unserer Tour durch Chile durfte ich unter anderem zwei Observatorien besuchen. Das was ich sonst nur aus Zeitungsartikeln und Berichten aus dem Internet kannte, habe ich nun live und in voller Pracht sehen dürfen. Nicht nur die Anfahrt ist abenteuerlich und tief beeindruckend, sondern auch vor diesen Monumentalwerken zu stehen, hinterlässt deutliche Spuren. -Wozu die Menschen fähig sind, wenn sie forschen und das Geld nicht für Kriegsgerät und anderen Unsinn ausgeben…* (siehe Schlussbetrachtung)
Der erste Besuch galt dem Observatorium in La Silla, ca. 600 Kilometer nördlich von Santiago de Chile auf einer Höhe von 2400 Metern. Es wurde in den 60er Jahren als erstes der ESO-Observatorien erbaut. Hier werden zwei der weltbesten Teleskope der 4-Meter-Klasse betrieben. Eine große Anzahl von astronomischen Erkenntnissen stammt von diesem Standort. Hier wurde unter anderem der Prototyp für die VLTs entwickelt und somit auch die erste aktive Optik, die die Form des Hauptspiegels fortwährend computergestützt kontrolliert und korrigiert. Ich habe oft davon gelesen und nicht im Traum daran gedacht, vor diesem Meisterwerk der Technik selbst stehen zu dürfen.
Hinweis: die Fotos sind zum Teil hochauflösend, somit längere Ladezeiten –
Bildmaterial © Google Maps & ESO
Panoramablick am Observatorium – Richtung Anden
Ja, es gibt auch im chilenischen Winter bedeckte Tage – schönes Wetter war aber für den Besuch nicht erforderlich. Die Aufmerksamkeit lag ja bei den Gebäuden, Instrumenten und Steuerungseinrichtungen.
Mit Ehrfurcht findet man hier alte Durchmusterungskarten und das ausgediente Steuerpult des 2,2 Meter Zeiss Teleskops.
* die hier gezeigte Karte ist ist eine visuelle Durchmusterung südlicher Sterne zwischen −22° und −89° Deklination. Sie wurde in der Zeit von 1892 bis 1914 an der Sternwarte Córdoba (Argentinien) durchgeführt. Auch zu sehen ist die Bonner Durchmusterung, sie wurde zwischen 1852 und 1862 erstellt und zeigt uns entsprechend den nördlichen Sternenhimmel. (Standort – Bonner Universitätssternwarte)
und hier steht das ehrwürdige NTT, mit der ersten von Menschen gebauten aktiven Optik. Das heißt, der Hauptspiegel wird ständig entsprechend seiner Position computergestützt korrigiert. Teleskop, Steuerung, Montierung und Gebäude sind Prototypen für die spätere Entwicklung der VLTs. Die Konstruktion war so erfolgreich, dass das Instrument auch heute noch jede Nacht im Einsatz ist und für seine Klasse beste Ergebnisse liefert. First Light war im März 1989
Der Primärspiegel des RC-Systems hat einen Durchmesser von 3,58 Meter. Der Hauptspiegel hat 75 Stellglieder, 3 Festpunkte und 24 seitliche Stellglieder. Das Öffnungsverhältnis ist f:2,2 und der Sekundärspiegel hat einen Durchmesser von 0,875 Meter.
Steht man davor, die Ausmaße sind gigantisch und die Präzision die hiermit erreicht wird, sprengt den Rahmen unserer Vorstellungskraft. Entsprechend sind auch die optischen Auskopplungen dimensioniert.
Die hier verwendeten Kameras sind ein Großfeld-Infrarotspektrometer (1-2,5 Mikron) und ein ESO-Spektrograph für schwache Objekte. Die Kühlung und Unterdruck-Steuerung erzeugt eine fortlaufende Geräuschkulisse. Nicht nur das Teleskop, sondern auch das Gebäude waren maßgeblich für die Erkenntnisse, die man zum Bau der VLTs später benötigte.
Nun kommen wir zu dem klassischen Vorläufer Modell: Ein 3,57 Meter Spiegel mit äquatorialer Gabelmontierung in einer klassischen Kuppel, die mehr einer Kathedrale ähnelt. Das System wurde in der Zeit von 1976 bis 1977 erbaut. Das Teleskop ist qualitativ so gut, dass es sich im Dauereinsatz befindet und mit dem auf der Welt empfindlichsten Spektrographen einem hoch auflösenden „Echelle-Spektrograph“ ausgestattet ist, zur Suche nach extrasolaren Planeten.
Hier die Erbauer und Konstrukteure der Ursprungsversion.
Diese Bilder sprechen für sich, was die Ausmaße und Ingenieurleistung dieser Zeit anging.
Was für eine Montierung! Daneben wirken die größten Amateur Montierungen wie Spielzeuge – leider hatte ich keine Dabei zum Größenvergleich 😀
Die technischen Daten zum System: Äquatoriale Hufeisenmontierung, der Primärspiegel hat einen Durchmesser von 3,566 Meter, Sekundärspiegel 1,2 Meter. Die Brennweite ist f:8,09
Im rechten Bild die optische Auskopplung zum Spektrographen
Schon historisch, dass schwedische 15 Meter „Submillimeter-Radioteleskop“ – dieses ist bereits außer Betrieb genommen. Abgelöst durch ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) auf über 5.000 Meter Höhe über N.N.
Nach La Silla folgte das Sahnehäubchen, ein Besuch auf dem Cerro Paranal, im Fokus das VLT (Very Large Telescope)
die Anfahrt ging via einer Tagesfahrt von Vallenar nach Antofagasta und am Folgetag zum Cerro Paranal (siehe Karte-oben)
Hier beginnt das geschützte Gebiet des Paranal Observatoriums, wir müssen uns jetzt nur noch auf 2660 Meter hochschrauben…Durch das im Bau befindliche ELT (extremely Large Telescope – (39 Meter Spiegel)) wurde die Schutzzone auf 1270 km² erweitert!
Schon bei der Anfahrt erahnt man die Ausmaße der VLT Anlage.
Vorgelagert findet man auf dem Gelände Montagehallen und Werkstätten.
Wo schlafen und Wohnen eigentlich die Astronomen und System Operators? Natürlich in der Residencia. Einem unterirdischen Kuppelbau mit Biotop und Wohnraum sowie Gastronomieanbindung. Dies ist auch dringend erforderlich! Die äußere Luftfeuchtigkeit ist nicht mehr messbar. Die Lokation gilt als einer der trockensten Gebiete auf der Welt. Tagsüber herrscht hier absolute Ruhe – die meisten schlafen – und Nachts spannt sich der Kuppelschirm auf, um Fremdlichteinfluss auf dem Gelände zu verhindern. Astronomen die hier tätig waren, haben Fotos aus Ihrer Heimat mitgebracht, diese sind im Aufgang (rechts) befestigt. – dito wurde in diesen Räumlichkeiten ein James Bond 007 gedreht – Ein Quantum Trost –
Auf dem Gelände angekommen, gibt es zwei Regeln. Erstens sofortiger Sonnenschutz mit unentgeltlicher Creme (UV Index > 13) und Helmpflicht! (und nein, wir sind keine Monteure und waren auch nicht am Bau der VLTs beteiligt 😀 )
Ist man hier angekommen, bleibt einem erst mal die Sprache weg. Nicht weil die Luft dünner geworden ist, sondern der Eindruck menschlicher Meisterleistungen wird einem hier besonders bewusst. Die Ausmasse sind phänomenal und nicht beschreibbar.
Im Verbund arbeiten die VLTs mit ihren jeweils 8,2 Metern Spiegeldurchmesser mit den vier beweglichen 1,8 Metern – Hilfsteleskopen (letztere sehen aus wie Winzlinge). Die vier Hauptteleskope tragen die Namen Antu, Kueyen, Melipal und Yepun – in der Sprache des Mapuche-Volkes sind das die Bezeichnungen für die Sonne, den Mond, das Sternbild Kreuz des Südens und die Venus als Abendstern.
Betritt man jetzt den Innenteil der Kuppeln, traut man seinen Augen nicht. Ein gigantischer Einzelspiegel wird hier mit einer nicht gekannten Präzision gesteuert und liefert im Verbund mit den anderen Teleskopen eine Winkelauflösung von Tausendstel Bogensekunden. Es scheint unvorstellbar, ist aber zu jeder Zeit möglich.
Hier noch ein Blick auf den gigantischen Spiegel und die Auskopplung zu einer Kamera! – Es gibt drei optische Auskopplungen.
Basisdaten zum System:
Optisches Design: Ritchey-Chrétien-Spiegelteleskop
Durchmesser Hauptspiegel M1: 8,20 m
Material Hauptspiegel M1: ZeroDur
Durchmesser Sekundärspiegel M2: 0,94 m
Material Sekundärspiegel M2: Beryllium
Durchmesser Tertiärspiegel M3: 1,242 x 0,866 m (elliptisch, plan)
Montierung: Alt-azimutale Montierung
Datum First Light:
UT1, Antu: 25. Mai 1998
UT2, Kueyen: 1. März 1999
UT3, Melipal: 26. Januar 2000
UT4, Yepun: 4. September 2000
Aktive Optik: Ja
Adaptive Optik: UT4: Laserleitstern + NACO
Interferometrie: maximale Basislänge mit den UTs 130 m
Blick in den Kontrollraum für Astronomen und System Operators – von hier werden alle VLTs und die Hilfsteleskope gesteuert.
Schnittzeichnung eines aktiven Spiegels
Mit untergehender Sonne hieß es Abschied nehmen von dem Ort der vielen Erkenntnisse. Hier noch ein Blick auf die VLTs im Gegenlicht.
Schlussbetrachtung:
Das neue Teleskop ELT wird durch die betreibenden Nationen mit 1,1 Milliarden Euro beziffert. Die Summe erscheint subjektiv betrachtet groß zu sein. Ich möchte hier aber einen kleinen Vergleich aufstellen. Kosten für den deutschen Steuerzahler sogenannter Prestigeobjekte: BER Endlos-Projekt 6,6 Milliarden Euro | und u.a. Stuttgart 21 mit Kosten von 8,2 Milliarden Euro. Dies ist aber nur die Spitze vom Eisberg. Wer mehr wissen möchte schaut in das „Schwarzbuch Steuergeldverschwendung 2018“. Management Fehlentscheidungen der Wirtschaft möchte ich hier nicht ansprechen. Wie viel ist uns Bildung und Forschung im Land noch Wert?
Es ist sehr bereichernd zu erleben, dass es auch anders geht. In Chile durfte ich so einige Erfahrungen sammeln. – Wer von Euch die Möglichkeit hat als Natur- und Forschungs interessierter Mensch das Land zu bereisen, dem kann ich es nur empfehlen. Für mich war es der Anfang einer Reise, den persönlichen Horizont zu erweitern…es wird weiter gehen!
Dank Jan und Daniela, Ihrer Familie Pujado Lizama in Chile, konnte ich mich einfach integrieren. An der Stelle, meinen tief empfundenen Dank! – Auf weit über 1000 Km sind mir ohne Ausnahme nur nette und hilfsbereite Menschen vieler Nationen begegnet.
Es gibt eine sehr zu begrüßende junge Bewegung im Land zum Erhalt der Natur. – Ich wünsche dieser Initiative „Erfolg auf der ganzen Linie“!
Beste Grüße und CS, Thomas