Die VIXEN SSW Okularserie – ein kurzer visueller Testbericht

Gleichmal vorneweg: Es handelt sich um diese Okulare.

https://www.skyatnightmagazine.com/reviews/eyepieces/vixen-ssw-eyepiece-series/

https://astrogarten-shop.de/de/zubehoer/okulare/vixen/ssw-83-weitwinkel/vixen-ssw-83-weitwinkel-serie.html

Rückblick
Im September 2015 kündigte VIXEN, nach langer Zurückhaltung im Weitwinkelbereich, eine neue Okularserie mit 1,25“ Steckdurchmesser an. Bisher gab es seitens Vixen nur die – allerdings sehr renommierten – LVW Okulare mit 65° Grad Gesichtsfeld, die sowohl auf 1,25“ und 2“ geklemmt werden konnten. Das 22mm LVW ist für mich nach wie vor das beste Okular im Bereich um 65°. Damit da nichts falsch verstanden wird: Andere Okulare wie Nagler, Pentax, Delos … stehen den LVW um nichts nach, aber sie liegen in meinen Augen auch nicht vorne.

LVW – die Vorgänger?
Bei den LVW beeindruckt mich vor allem der weite Augenabstand, der sehr bequeme Einblick, keinerlei Vignettierung, kein Blackout oder Kidney Beaning im Gesichtsfeld, die komplette Randschärfe der Okulare und auf der Achse liegt die Schärfe nur minimal hinter den Baader Genuine Orthos. Das will schon was heißen … Über die ganze Serie hinweg ist das 17 mm etwas schwächer, während das 13 mm (da habe ich den Orion Klon der LVW) erneut herausragt.

Ultraweitwinkel
Mit den neu eingeführten Ultraweitwinkelokularen, also den 82° Okularen von Explore Scientific und Nagler, den noch darüber hinausgehenden 100-110° Ethos (und den Explore Scientific Klonen davon), wagte sich mit VIXEN dann noch ein großer Hersteller in den UWA Bereich hinein. Wie bei den LVW Okularen geht die Staffelung bis in den kleinbrennweitigen Bereich hinab: 14 – 10 – 7 – 5 – 3,5 mm. Das Gesichtsfeld wird durchgehend mit 83° angegeben, das Gewicht mit leichten 210 Gramm. Die SSW sind durchgehend als 1,25“ Okulare konzipiert und damit sind auch größere Brennweiten nicht darstellbar. Nagler T5, Skywatcher Nirvana und TS UWAN, bekommen ihr großes Gesichtsfeld noch mit 16 mm Brennweite an der Feldblende dabei, bei den SSW ist bei 14 mm schon Schluss.

Vergütung
Die SSW haben eine, von VIXEN zu erwartende, sehr gute Multivergütung, die leicht violett schimmert. Reflexe tauchen nur bei starkem Lichteinfall auf, ansonsten glänzt und blitzt auf der Linsenoberfläche gar nichts.

In Farbe – und bunt …
Die Okulare sind farbig codiert. Langbrennweitige SSW erhalten Farben die im langwelligen Spektrum des Lichtes liegen, während die kürzesten Brennweiten dann auch blaue und violette Eloxalringe (kurzwelliges Licht) tragen. In der Summe ist dieses, so entstandene „Rainbow Kit“, wohl eher für hübsche Produktpräsentationen und nette Fotos gedacht (das Auge isst halt mit … 😉).

Unrunde Sache
Aber: In der Nacht sind alle Katzen grau und die Okulare auch. Außerdem bleibt gar nicht viel Platz für diese Farbcodierung, da ein Großteil der Oberfläche aus einer Gummiarmierung besteht. Das macht den Okularkörper sehr griffig. Zudem ist die Gummi/Silikonummantelung kantig ausgeführt und hat die Form von umlaufenden, dreieckiger Flächen. Das soll das Wegrollen der Okulare auf geneigten Oberflächen verhindern und ein zusätzlicher Sicherheitsfeature sein. Nun, wenn die Neigung nicht zu stark ist, also so im Bereich von 5-10° dann funktioniert das auch gut. Darüber hinaus würde ich mich aber nicht darauf verlassen.

„For your eyes only …“
Der Augenabstand liegt um die 12 mm und ist damit recht komfortabel. Als Brillenträger beobachte ich dennoch grundsätzlich ohne Brille (auch bei den, mit 20 mm noch komfortableren LVW). Bei einer testweisen Beobachtung mit Brille sind 12 mm dann schon eher knapp.

„Beam up, Scotty …“
Eine angenehme Eigenschaft ist die herausdrehbare, gummierte Augenauflage. Insgesamt ist die Augenauflage um ca. 8 mm in ihrer Höhe feinfühlig verstellbar. Sie verleiht dem Beobachter deutlich mehr Ruhe und eine stabilere Einblickposition. Die optimale Position ist doch ein gutes Stück sensibler zu finden und zu halten – im Vergleich zu Okularen mit geringerem Gesichtsfeld.

Bohneneintopf
Wie auch bei den 100/110° Grad Okularen (Ethos und ES) festzustellen ist, sind die SSW nicht gegen das sogenannte Kidney Beaning gefeit: Also der Effekt, dass schwarze bohnenförmige Schatten im Gesichtsfeld auftauchen, weil die Iris die äußersten, ins Auge stark „schräg“ einfallenden Lichtstrahlen beschneidet. Gerät man zu nah ans Okular, sind die schwarzen Böhnchen zuverlässig zu sehen. Hier soll die verstellbare Augenauflage eingreifen, indem sie verhindert, dass man zu nah ans Okular gerät. Allerdings entsteht durch die herausgedrehte Augenmuschel auch so etwas wie ein mechanischer Tunnel, der im Einblick zu sehen ist. Gefühlt ist das Gesichtsfeld zunächst nicht viel größer als wie bei den LVW. Was man dann natürlich machen kann ist, in dieser Position „schräg“ hineinzublicken und siehe da: Dahinter (also hinter diesem Tunnel) geht’s weiter …

„No entrance“ … to the Space ☹️
Damit sind die 83° Gesichtsfeld nicht komplett im Blick. Das ist schade, weil sich auf diese Art und Weise ein „Spacewalk-Effekt“ nicht einstellen will. Es ist eher wie der Blick aus einem Bullauge und wenn man dann vor dem Bullauge den Kopf dreht, sieht man rechts/links/oben/unten, dass da noch mehr zu sehen ist (das ist der treffendste Vergleich der mir gerade einfällt). Wenn ich dann den Augenabstand verringere (Muschel reindrehe) wird es „spacewalkiger“, aber so ab 7-8mm Abstand und näher taucht dann sehr deutlich das Kidney Beaning auf.

Money, Money …
Der Preis der SSW ist leider sehr ambitioniert. Sie liegen als UVP bei wirklich teuren 339€ pro Okular. VIXEN lässt sich die Fertigung in Japan und die verbauten Lanthan Sondergläser wirklich teuer bezahlen und damit ist das definitiv eine Schwelle an der man erst einmal stockt. VIXEN selbst hat ja auch lange gezögert, ob es überhaupt in den Weitwinkelbereich einsteigt und sich in Konkurrenz zu (preislich nicht unterbietbaren) chinesischen Okularen begibt. Immer dann, wenn man preislich sowieso nicht in die Nähe kommt, versucht man das dann auch gar nicht über den VK zu lösen. Das merkt man bei den SSW deutlich – ein bisschen mehr Preisdruck wäre hier ganz gut. Aber so muss man halt selbst verhandeln, wenn sie passen sollten.

Echt komplizierte Sache
Das Problem meinerseits ist ein recht komplexes: Mein 10“ Klevtsov hat kein komplett flaches Gesichtsfeld, sondern es ist leicht kissenförmig verzerrt. Das macht die Okularwahl nicht einfach. Für das TAL-250K braucht es Okulare, die kurioserweise NICHT absolut perfekt sind. „Perfekt“ wäre nach dem üblichen Maßstab z.B. ein flaches Gesichtsfeld und kein Astigmatismus. Vladimir Sacek, mit dem ich mich auf CloudyNights dazu ausgetauscht hatte, brachte es auf den Punkt, indem er schrieb: Ideal funktionieren am Klevtsov die Okulare, die im Feld dieselben Abweichungen wie das Teleskop aufweisen, aber mit umgekehrten Vorzeichen. In der Summe heben sich dann beide Fehler gegenseitig auf und es entsteht ein perfektes Bild. Er hat sogar ausgerechnet, welche Bildfeldkrümmung und welches Maß an Astigmatismus im Feld bei den Okularen vorhanden sein muss. Das Dumme ist nur, kein Hersteller gibt solche Daten an.

Falsch = Richtig 🧐
Dass Vladimir recht hat, oder zumindest ziemlich nah an der Realität rechnet, zeigten mir seine Diagramme und Rechnungen zu den TAL-UWA Okularen, die ich habe. Obwohl eigentlich für den Klevtsov designed, zeigen sie in der Realität ziemlich exakt das an Aberration was er berechnet hat – und das ist ziemlich viel. Über die SSW Okulare wurden im Netz ziemlich differenzierte und auch kritische Berichte publiziert, gerade im Hinblick auf ein nicht-perfekt ebenes Bildfeld und etwas Feldastigmatismus. Genau das ließ mich hellhörig werden.

Der CCD Inspector und die Auswertung des TAL-250K Bildfeldes bezogen auf ein APS-C Feld. Nicht planeben…

Perfekt korrigierte Pentax, Nagler, ExploreScientific, Televue … Okulare, deren Designer wahrscheinlich unendlich viel Mühen darauf ausgerichtet haben, ein möglichst fehlerfreies Okular zusammenzubasteln, helfen mir überhaupt nicht weiter. In den ersten Reviews der SSW Okulare im englischsprachigen Bereich, ging es stattdessen immer wieder darum, dass diese offenbar kein komplett flaches Feld aufweisen und auch der Astigmatismus im Feld nicht vollständig korrigiert zu sein scheint. Was als Kritik gemeint war, könnte für den Klevtsov passen.

Durch Anklicken wird das obige Bild größer. Dass ist nötig, denn im Detail sieht man, dass die Randschärfe der Okulare im Vergleich zur Achse abfällt. Aber anscheinend in genau dem Maß wie es das TAL-250K benötigt.

Die andere Alternative
Alternativ: Ein Gesichtsfeld, das klein genug ist, damit die Abweichung neben der Achse erst gar nicht bemerkbar groß werden kann. Aber schick sind ja gerade Okulare von 80° Gesichtsfeld aufwärts …

Okularhopping
Um die SSW besser einordnen zu können, versuchte ich den visuellen Eindruck, den unterschiedlichen Beobachtungsobjekte in unterschiedlichen Okularen hinterlassen, zu vergleichen. Also holte ich ähnliche Okularbrennweiten ganz verschiedener Serien, die ich besitze, heraus und hatte ein munteres Okularvergleichen quer durch komplett verschiedene Designs hindurch.

Folgende Okulare waren, neben den SSW, noch beteiligt:

BGO = 12,5 mm Baader Genuine Ortho (40°)

LVW = 13 mm VIXEN Long View Weitwinkel (65°) (ohne LVW 42 mm und NLVW 30 mm)

UWA = 15 mm Ultra Wide Angle Okulare von TAL (82°)

SSW = 14 mm die Abkürzung bleibt kryptisch, ggf. Super Weitwinkel, wobei das erste „S“ noch fehlt (83°)

Da es sich um einen ersten Überblick und Gegenüberstellung handelt, gehe ich vor allem auf das Verhalten der Okularserien selbst ein und stelle die verschiedenen Brennweiten im wesentlichen in den Hintergrund. Die nachfolgenden Beobachtungen beziehen sich aber auf die o.g. (recht ähnlichen) Brennweiten. Grundsätzlich kann man vieles auf andere Okularbrennweiten derselben Serie verallgemeinern.

Epsilon Lyrae:

BGO: Ein Heimspiel auf der Achse, kontrastreichster Anblick über alle Okulare hinweg. Die beiden Doppesterne wurden sehr schön getrennt mit deutlichem, dunklen Zwischenraum.

LVW: Standen den BGO wenig nach, etwas unschärfer über die Brennweiten hinweg, aber wirklich nur, wenn man direkt zwischen beiden Okulartypen hin und her wechselte und sehr genau schaute.

UWA: Schwächster Anblick bei diesem Objekt. Die Sternabbildung wirkte eher wie mit leichtem Weichzeichner. Nadelfeine Sterne waren das nicht.

SSW: Erstaunlich kontrastreich, klar und scharf. Vom Empfinden her waren die BGO noch etwas schärfer und ruhiger (was aber auch an dem engeren Gesichtsfeld liegen könnte, dass den Fokus noch mehr auf die Achse führt).

Wega:

Der Vergleich am Stern zeigte nahezu identische Resultate. Die Farbreinheit war bei allen dreien sehr ähnlich, auch der Halo, den der extrem helle Stern über die „Curved Spider“ erzeugt, war nahezu identisch. Lediglich die UWA zeigten Wega einen Ticken mehr farbig in Richtung Elfenbein oder Creme. Der etwas geringere Kontrast führte dann vielleicht auch dazu, dass Wega durch die UWA gesehen als nicht so extrem scharf begrenzt empfunden wurde.

M57

BGO: Immer noch ein Heimspiel für das BGO, zumindest wenn es um den planetarischen Nebel selbst ging. Der Kontrast litt unter Mondlicht, aber auf den außerhalb des Rings stehenden kleinen 13 mag hellen Stern, ließ sich sehr schön scharf fokussieren.

LVW: Sehr schönes, scharfes Bild über das gesamte Gesichtsfeld hinweg, alle Sterne waren sehr fein und scharf dargestellt, bis zum Rand der 65° Abbildung. In der Mitte konnte das LVW weder mehr, noch weniger Kontrast aus dem planetarischen Nebel herausziehen. Dafür passten die Bedingungen einfach nicht.

UWA: Auch hier landet ihr das Okular auf dem letzten Platz. Das lag vor allem daran, dass die Fokusdifferenz zwischen dem Rand (gut, das hat 80° Gesichtsfeld) und dem Fokus auf der Achse 1,5 mm beträgt. In der Mitte war fast ein Sternscheibchen zu sehen, wenn ich auf einen Stern ganz am Rand des Gesichtsfeldes fokussierte

SSW: Die Überraschung des Abends. Das Bildfeld ist bis zum Rand der 83° scharf begrenzt. Ich habe mehrmals über die 1:10 Untersetzung auf den Rand oder auf die Mitte fokussiert und dann jeweils das Andere geprüft. Ich komme allenfalls auf eine Fokusdifferenz von 0,15 mm.

Mond – Krater Aristillus und Autolycos

BGO: Das BGO zeigt enorm feine Details innerhalb der Krater und in den Kraterwänden, die teilweise wirklich dreidimensional gestuft erscheinen. Die BGO sind definitiv eine Hausnummer bei kontrastreicher Abbildung auf der Achse. Auch die Schattenwürfe waren in den Phasen guten Seeings sehr kontrastreich dargestellt. Auch zum Rand des Gesichtsfelds wurde die Schärfe kaum schwächer. In der Summe auch eine sehr farbreine Darstellung.

LVW: Im Eindruck nochmals eine Steigerung zu den BGO, was an dem großen Gesichtsfeld liegt, das alles noch plastischer erscheinen lässt. Der Mondrand ist durch die atmosphärische Dispersion, mit einer feinen hellgelben Linie versehen. Erstaunlicherweise ist die Farbe bei den LVW deutlich geringer als bei den SSW, die die Farbe am Mondrand deutlich stärker zeigen.

UWA: Hier verlieren die UWA am deutlichsten, weil die Unschärfen nach 2/3 des Gesichtsfelds stark zutage treten.

SSW: Sehr schöner Kontrast und erneut über das komplette Gesichtsfeld von 83° scharf. Es benötigt kein Nachfokussieren zwischen Rand und Achse. Das ist bei 83° schon sehr beeindruckend. Allerdings ist das große Gesichtfeld nicht komplett im Blick, sondern die Ränder verschwinden „hinter“ dem Tunnel, den die Augenauflage erzeugt.

H & chi Persei

BGO: Macht keinen Sinn, das Gesichtsfeld ist zu klein.

LVW: Einer der beiden Sternhaufen passt beim 22 mm perfekt in das Gesichtsfeld. Randschärfe, Farbigkeit, Kontrast sind das, was ich beim Klevtsov als nahe am Optimum bezeichnen würde.

UWA: Auch hier stören wieder die unscharfen Sterne am Rand und wenn man zwischen Rand und Achse mittelt, dann ist das ganze Bild unbefriedigend.

SSW: Hier spielet das SSW erneut seine Stärken aus. Absolut randscharf, Kontrast und Farbe passen wie bei den LVW sehr, sehr gut. Der dunkle Ring/Rand verschwindet hier, deutlich leichter im Vergleich zum Mond, so dass sich eher das Gefühl von Schweben im Raum einstellt. Aber (zumindest in der Erinnerung) nicht perfekt.

Ach ja, Jupiter und Saturn waren dann kurz nach Mitternacht (trotz Maintal) erstaunlich kontrastreich. Sehr klare Strukturen im dunkleren der beiden Äquatorbänder Jupiters, vor allem die Begrenzung erschien, wie mit eine feinen Tuschpinsel, nachgezogen. Die nachfolgenden Bänder bis zum Pol (insgesamt waren 5 sichtbar) waren auch deutlich zu sehen – und das ohne ADC.

Kein Wunder, dass Saturn dann auch sehr fein und präzise im SSW Okular stand. Die Cassinitrennung war fast umlaufend zu erkennen und neben dem helleren Äquatorband war ein zweites, etwas oberhalb zu erkennen. Schau an, Achse können sie auch, die SSW am Klevtsov.

Happy End
Das überraschende an den SSW war für mich deren nahezu perfekte Randschärfe, wobei man nahezu mit 0,15mm Fokusdifferenz gleichsetzen kann (also ein Hauch von nichts). Was auf den ersten Blick recht selbstverständlich klingt, ist für das TAL-250K durchaus besonders.

Nachdem ich für die SSW via England ein sehr günstiges Angebot vorliegen hatte (anscheinend feiert VIXEN ein Jubiläum und zumindest die englischen Shops waren dadurch in der Preisgestaltung recht flexibel) und TS das nahezu identisch darstellen konnte, kam die Okularserie in die engere Auswahl. Der oben beschriebene Test, mit einem mir von TS überlassenen 14 mm SSW Okular am TAL-250K, fiel dann so gut aus, dass die Teile bei mir Einzug hielten. Stärkt beeindruckt haben mich die Randschärfe der Okulare am Klevtsov und dass auch der Feldastigmatismus des Teleskops sehr gut korrigiert wird. Ich habe immer wieder mal andere Okulare am TAL-250K ausprobiert, auch im ganz hohen Qualitätsbereich und keines harmonierte mit dem TAL-Klevtsov so gut, wie das SSW. Insofern war die Wahl naheliegend.

Test 2.0
In einer weiteren, sehr, sehr warmen Nacht war ich nochmals draußen um die oben beschriebenen Beobachtungen, jetzt auch mit den anderen Brennweiten der SSW, gegenzuprüfen. Bei weitaus schlechteren Bedingungen konnte ich aber im wesentlichen alles oben geschriebene wiederfinden. Einzig der oben geschilderte „Tunnel“ des SSW war doch nicht so störend, wie in der ersten Nacht empfunden. Es ist eine sehr feine Einstellung der Augenmuschel nötig, um so nah wie möglich an die Okularlinse zu kommen, bevor die eigene Iris als Blende wirkt und so die berühmten Bohnen im Bild erzeugt. Hat man den aber gefunden, ist es dann doch ein schöner An- und Einblick, selbst wenn das Einblickverhalten etwas unruhiger wird. Scheinbar muss man sich auch in so große Gesichtsfelder erst „einsehen“.

Verzeichnung
Natürlich verzeichnen die Okulare tonnenförmig, um die 83 Grad ins Gesichtsfeld zu stopfen, aber das führt zu keinen Astigmatismus- oder Komafiguren am Rand. Das defokussierte Sternscheibchen wird am Rand deutlich oval, nähert sich beim Fokussieren dann aber immer mehr der Kreisform an, um auf der „anderen Seite“ vom Fokus nahezu kreisförmig zu bleiben.


Hier sieht man die Verzeichnung der Okulare.

Auf der Achse sind die SSW sehr scharf und klar. In dieser Nacht hat definitiv das recht durchschnittliche Seeing die Abbildung begrenzt und nicht die Okulartechnik. Mein Klevtsov hatte zudem thermische Probleme, aber deswegen weil der Hauptspiegel ZU KALT war und sich auch nach 2 Stunden nicht ganz in seine Sphäre geworfen hatte 😱. Tja, verkehrte Welt … Dennoch konnten erneut die Epsilon Lyrae Sterne sehr problemlos beobachtet werden, am besten im 10mm und 7 mm SSW. Der Abstand der beiden Doppelsterne ist ja für 10“ sehr großzügig.

M57 empfand ich im 7 mm SSW (das ist ja schon ~300x) als sehr hell. Das ging bis 426x (5mm) hinauf. Ich kann mich täuschen, aber da war in anderen Okularen das Bild schon wahrnehmbar dunkler. Gut, die Transparenz in dieser Nacht mag hoch gewesen sein, aber ich glaube das ist auch der Effekt des großen Gesichtsfelds, dass sehr viel dunklen Hintergrund zeigt und so helle Objekte vielleicht viel stärker und damit auch heller wahrgenommen werden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch die Okulare selbst eine hohe Transparenz und Farbreinheit aufweisen.

M81 war dementsprechend auch – gefühlt – sehr hell im Okular. Ich freue mich schon mit diesem Teile mal kleinere Galaxien in den Blick zu nehmen. Und auch hier war die Abbildung bis zum 5mm SSW im oberen Bereich dessen was ich sonst qualitätsmäßig ins Auge bekomme.

Ihre Stärken (Kontrast im Feld bei 83 Grad) brachten die SSW dann bei M82 zum Tragen. Ich war zu faul wieder auf kleinere Brennweiten zu wechseln und schwenkte von M81 zu M82 mit dem 5 mm SSW. Fast erschrocken zuckte ich vor dem hellen Lichtbalken, der quer ins komplette Gesichtsfeld flitzte, zurück. Wow, das war neu. Also die LVW (da gibt es ja auch mit 5 mm) bekommen so etwas nicht soo überzeugend hin.

Alles halb so schlimm
Bei den kleinen Brennweiten bemerkte ich das Kidney Beaning bei weitem nicht mehr so ausgeprägt wie beim 14 mm und auch noch beim 10 mm. Eine große Hilfe waren erneut die herausdrehbaren Augenmuscheln, die als Augenauflage dienen und ihren Job sehr gut machen. So erhält man einen sehr zuverlässig reproduzierbaren Einblickpunkt. Und beim oben erwähnten Bohnensalat im Auge kommt es ja wirklich auf Zehntelmillimeter an. Bei einem anderen Verhalten habe ich mich dann einfach „ergeben“, weil ich das bei keinem aktuellen Weitwinkelokular (und ich habe alle hochwertigen durch) in der Kombination „scharf“ + „bis Gesichtsfeldrand“ gefunden habe. Und zwar die Tatsache, dass die Augenmuschel und nicht die Feldblende das Gesichtsfeld begrenzt. Man müsste noch näher ran um die gesamten 83° „auf einmal“ zu sehen, aber da wird man eben vom Kidney Beaning gestoppt, also geht man weiter weg und dann blendet die Augenmuschel ab.

Aber meine Überlegung war: Was nützt mir ein komplett sichtbares Feld im Auge (andere Okulare bekommen das etwas besser hin), wenn der Effekt bei mir ist, dass ich dann am Rand zusätzlich vor allem sehen kann, dass es da unscharf ist?

So hat man den „netten“ Effekt, dass man, wenn man leicht pendelt bemerkt, dass links und rechts „hinter“ der Begrenzung das Bild weitergeht, oder dass man mit Augendrehen und einer kleinen Positionsveränderung der Kopfes über der Augenlinse (das macht man ganz automatisch) im Gesichtsfeld spazieren gehen kann. Gut, man kann sich das auch schön reden, aber ich finde das nicht übermäßig tragisch.

Zu guter Letzt ging es zu meiner Standardzugabe Richtung M13. Auch der war sehr beeindruckend im großen Gesichtsfeld (wenn ich es mit meinen LVW mit 65° vergleiche).

Ja, alle Sterne waren wirklich feine Pünktchen im gesamten Gesichtsfeld und das war ein sehr ästhetischer Anblick. Nadelfeine Sterne bekommt der Klevtsov (im Vergrößerungsbereich bis ca. 280x) sowieso sehr, sehr gut hin. In dem Bereich ist das System nahe an der Darstellung eines APO-Refraktors. Wenn man sich dann sehr auf M13 konzentrierte (und der Rand im Okular in Vergessenheit geriet) hatte man tatsächlich so einen kleinen Spacewalk-Eindruck. Das geht sicher noch viel besser, weil es hier noch einen viel dunkleren Himmel gibt. Den dunklen Hintergrund bekam ich mit der SSW zwar auch hin (über die Vergrößerung), aber dann blähten sich die Sterne im Seeing doch mehr auf, als ich es heute Abend gerne haben wollte und die „übliche“ Granulation im Gesichtsfeld (die die Übervergrößerung anzeigt) tauchte auf.

Ansonsten bleibt noch festzuhalten, dass die Abdeckkappen oben leider allesamt etwas zu locker über der Augenlinse sitzen, dafür sind die Abdeckkappen auf der Steckhülse etwas zu fest drauf. In der Summe passt es also …

Knappes Fazit
Nach einigen Verhandlungen war es dann für mich ein, in der Summe, ordentliches Preis-Leistungs-Verhältnis. Mein Kaufgrund war zum einen, dass ich sicher sein konnte, dass die bei VIXEN die produzierte Qualität weit über dem marktüblichen Durchschnitt liegt, lag zum anderen aber vor allem an der optimalen Passung der Okulare zu meinem TAL-250K. Auch die oben geschilderte Einschränkung des Gesichtsfeldes ist nichts, was ich für mich als grundsätzlichen Makel definieren würde. Andere Okulare haben das ja teilweise auch. Die SSW eröffnen mir selbst noch mal eine ganz andere Art des Beobachtens, dass ich über Nagler, Delite und Co. am TAL-250K tatsächlich nicht so reproduzieren kann.

Ich bin schon auf die nächsten Nächte und weitere „Entdeckungen“ an anderen Objekten gespannt. Zum Beispiel stehen Nebel noch völlig aus …